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Neues Aktienrecht per 1. Januar 2023:
Viele neue Möglichkeiten und Anpassungsbedarf bei den Statuten

Nach dem ersten Anlauf zur Revision des Aktienrechts im Jahr 2007 tritt das neue Recht («nOR») nun Anfang des Jahres 2023 endlich in Kraft.

Vorab zu den drängendsten Fragen: Bedarf es einer Anpassung bestehender Statuten und Reglemente und wenn ja, bis wann? Die Vorschriften des neuen Rechts gelangen grundsätzlich unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten (1. Januar 2023) auf alle bestehenden Gesellschaften zur Anwendung. Statutarische oder reglementarische Bestimmungen, die nicht im Einklang mit dem neuen Recht stehen, bleiben während einer Übergangsfrist von zwei Jahren seit Inkrafttreten, d.h. bis Ende 2024, wirksam, werden jedoch mit Fristablauf ungültig. Da viele Statuten und Reglemente Gesetzespassagen enthalten dürften, die mit der Revision geändert werden (z.B. Aktionärsrechte, siehe dazu Ziffer 4), empfiehlt sich nur schon aus diesem Grund deren Prüfung vor Ablauf der Übergangsfrist. Eine zeitnahe Anpassung von Statuten oder Reglementen ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Möglichkeiten des neuen Rechts ausgeschöpft und klar geregelt werden sollen (siehe dazu vor allem Ziffern 1–3 unten).

Die Revision stellt eine Modernisierung des bisherigen Aktienrechts («OR») dar und bietet zahlreiche neue Regelungsmöglichkeiten für Aktiengesellschaften («AG»), Gesellschaften mit beschränkter Haftung («GmbH») und weitere Gesellschaftsformen. Dieser Beitrag soll einen (nicht abschliessenden) Überblick über praxisrelevante Aspekte des neuen Rechts verschaffen und ist in die nachfolgenden Themenbereiche gegliedert.

Verwaltungsrat (mehr im Detail unter Ziffer 1)
Für den Verwaltungsrat («VR») gelten ab 2023 neue Bestimmungen, die seine Finanzverantwortung vor allem bei Sanierungen erhöhen und klarer regeln. Daneben gibt es neue Regelungen zum Wahlverfahren und zur Amtsdauer des VR mit Fallstricken, zu elektronischen Sitzungen und Beschlussfassungen sowie zur Übertragung der Geschäftsführung. Neu sind ferner Handlungspflichten bei Interessenskonflikten im Gesetz verankert.

Generalversammlung (mehr im Detail unter Ziffer 2)
Eine Generalversammlung («GV») kann neu je nach statutarischer Regelung im Ausland, an mehreren Tagungsorten, komplett virtuell oder auf dem Zirkularweg durchgeführt werden. Ferner gelten ab 2023 tiefere Grenzwerte für Aktionärsrechte zur Einberufung einer GV, zur Traktandierung und zur Stellung von Anträgen. Mit dem neuen Recht werden der GV zudem neue Kompetenzen im Zusammenhang mit der Aktienkotierung und mit Verantwortlichkeitsklagen eingeräumt. Weitere Neuerungen betreffen die Ausübung von Aktionärsrechten durch eine Vertretung.

Dividenden und Kapitalstruktur (mehr im Detail unter Ziffer 3)
Ab dem 1. Januar 2023 ist es möglich, Dividenden während dem laufenden Geschäftsjahr auszuschütten und das Aktienkapital in einer beschränkten Auswahl von Fremdwährungen zu führen. Neue Möglichkeiten und Erleichterungen ergeben sich auch für Kapitalveränderungen und Aktiennennwerte sowie Sachübernahmen.

Aktionärsrechte und Corporate Governance (mehr im Detail unter Ziffer 4)
Die Rechte der Aktionäre werden mit dem neuen Recht insgesamt gestärkt, indem ihre Auskunftsrechte ausgedehnt, die Einsichtsrechte erweitert, die Grenzwerte für Sonderuntersuchungen gesenkt und umfassendere Rückerstattungsansprüche vorgesehen werden.

Andere Gesellschaftsformen (mehr im Detail unter Ziffer 5)
Während die meisten neuen Regelungen Aktiengesellschaften betreffen, kommt es auch für andere Gesellschaftsformen wie GmbH, Genossenschaft, Stiftung und Verein zu Rechts­änderungen; meistens aber nicht bei allen in Bezug auf die Durchführung von Versammlungen sowie die Finanzverantwortung.

1.     Verwaltungsrat

Erhöhte und klarer geregelte Finanzverantwortung (Art. 725 ff. nOR)

Das neue Aktienrecht verlangt vom VR, dass er die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft überwacht und Massnahmen zu deren Sicherstellung sowie zur allfälligen Sanierung ergreift, ohne dass er in jedem Fall eine GV einberufen und ihr Sanierungsmassnahmen beantragen muss, wie es nach dem bisherigen Recht der Fall war (Art. 725 Abs. 1 OR). Die Finanz­verantwortung des VR wird im Gesetz insofern erhöht, als er neu nicht erst bei einer Unterbilanz (Hälfte des Aktienkapitals ist nicht mehr gedeckt) handeln muss, sondern schon Schritte einzuleiten hat, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig zu werden droht (Art. 725 Abs. 2 nOR). Ab dem 1. Januar 2023 kann der VR selbst bei einer Überschuldung (Verbindlichkeiten sind nicht mehr durch Aktiven gedeckt) in eigenem Ermessen und auf eigene Verantwortung von der an sich obligatorischen Benachrichtigung des Gerichts absehen, wenn «begründete Aussicht» auf Sanierung innerhalb von spätestens 90 Tagen seit dem einzuholenden Zwischenabschluss besteht und es nicht zu einer zusätzlichen Gefährdung von Gläubigerforderungen kommt (Art. 725b Abs. 4 Ziff. 2 nOR).

Fallstricke bei Wahlverfahren/Amtsdauer (Art. 710 nOR)

Was für börsenkotierte Aktiengesellschaften bereits geltendes Recht ist, gilt (ohne Einführung einer anders lautenden Statutenbestimmung) nun auch für alle anderen: Die VR‑Mitglieder sind einzeln und nicht in Gruppen zu wählen. Von der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften ins Gesetz übernommen wird die Bestimmung, wonach die Amtsdauer von VR-Mitgliedern von börsenkotierten Aktiengesellschaften mit dem Abschluss der nächsten ordentlichen GV endet. Unabhängig von einer allfälligen Kotierung gilt es für alle Aktiengesellschaften die strenge Rechtsprechung des Bundesgerichts zu beachten, wonach das Amt des VR selbst bei anders lautenden Statuten sechs Monate nach Ablauf des betreffenden Geschäftsjahres sowie der gewählten Amtsperiode endet, wenn keine GV durchgeführt oder die Wahl des VR nicht traktandiert worden ist (BGer 4A_496/2021 vom 3. Dezember 2021, E. 3.4 ff.). Mit anderen Worten gibt es keine stillschweigende Verlängerung von VR‑Mandaten, was rasch zu einem Organisationsmangel (nicht ordnungsgemäss besetzter VR) und als Folge davon zu nichtigen VR- und GV-Beschlüssen führen kann (letzteres z.B. bei Einberufung einer GV durch nicht [mehr] gewählte VR-Mitglieder). Zu einem Organisationsmangel kann es auch kommen, wenn das Amt des VR-Präsidenten vakant ist, allerdings kann der VR diesen Mangel mit der Ernennung eines neuen Präsidenten selber beheben. Zudem können in den Statuten andere Regeln zur Behebung des Organisationsmangels vorgesehen werden (Art. 712 Abs. 4 nOR). Die Aufnahme solcher Regeln in den Statuten ist vor allem mit Blick auf allenfalls ausbleibende Wieder- bzw. Neuwahlen des VR zu empfehlen.

Elektronische Sitzungen und Beschlussfassungen (Art. 713 Abs. 2 und 3 nOR)

Wie bei der GV können auch VR-Sitzungen neu explizit mit elektronischen Mitteln durchgeführt werden. Auch Zirkularbeschlüsse sind auf elektronischem Weg möglich (z.B. per E‑Mail, Messenger Apps wie Whatsapp/Threema/Signal und Co.) und dabei ist keine Unterschrift der einzelnen VR-Mitglieder erforderlich, ausser wenn ein Mitglied etwas anderes verlangt, der VR schriftlich eine andere Regelung festgelegt hat, oder wenn der Beschluss als Beleg dem Handelsregisteramt einzureichen ist. Trotzdem ist nach wie vor ein schriftliches Sitzungsprotokoll zu führen und vom Vorsitzenden und dem Protokollführer zu unterzeichnen. Diese Anpassungen bieten nicht nur Chancen, sondern bergen auch Risiken für die Beschlussfassung des VR (z.B. Beweisprobleme und Diskussionen wegen unklarer Beschlüsse in Gruppenchats), weshalb eine klare Regelung für solche Beschlüsse im Organisationsreglement zu empfehlen ist.

Paradigmenwechsel für die Übertragung der Geschäftsführung (Art. 716b Abs. 1 nOR)

Schon vor der Revision konnte der VR die Geschäftsführung durch ein Organisationsreglement an einzelne seiner Mitglieder oder an andere natürliche Personen delegieren. Bisher war dafür eine Grundlage in den Statuten erforderlich. Neu gilt der umgekehrte Grundsatz, dass eine Delegation der Geschäftsführung immer möglich ist, ausser die Statuten sehen etwas Anderes vor.

Handlungspflichten bei Interessenkonflikten (Art. 717a nOR)

Geraten Mitglieder des VR oder der Geschäftsleitung in einen Interessenkonflikt, schreibt das Gesetz neu vor, dass sie den (Gesamt-)VR unverzüglich und vollständig darüber informieren müssen. Zudem schreibt das neue Aktienrecht vor, dass der VR Massnahmen zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen zu ergreifen hat, lässt aber offen, welche das sind (vorstellbar wären bspw. Ausstand oder zweistufige Abstimmung).

2.     Generalversammlung

Die neuen (und alten) Formen zur Durchführung einer GV (Art. 701a ff. nOR)

Es ist möglicherweise nicht (mehr) allen bewusst, dass Generalversammlungen bei einer AG vor der Corona-Pandemie abgesehen von Stellvertretungsmöglichkeiten zwingend als Veranstaltungen mit physischer Präsenz am Tagungsort durchzuführen waren (im Gegensatz zur GmbH, bei welcher Zirkularbeschlüsse der Gesellschafter schon länger möglich sind). Andere Durchführungsformen für eine GV kannte das Schweizer Aktienrecht nicht. Erst mit der COVID-19-Verordnung 2 führte der Verordnungsgeber alternative Möglichkeiten zur Durchführung einer GV ein (schriftlich, elektronisch oder mit unabhängigem Stimmrechtsvertreter). Aufgrund der COVID-19-Verordnung 3 bestehen diese Möglichkeiten noch bis zum Inkrafttreten des neuen Aktienrechts fort und werden mit der Revision in den Grundzügen ins Gesetz aufgenommen. Neu hinzu kommen Mischformen zur Durchführung einer GV (physischer Tagungsort mit elektronischer Teilnahmemöglichkeit, mehrere Tagungsorte oder ein Tagungsort im Ausland).

Ab dem 1. Januar 2023 sind nach Gesetz somit die nachfolgenden Formen zulässig, um eine GV durchzuführen:

-  mit physischem Tagungsort
    -  in der Schweiz oder im Ausland
    -  an mehreren Orten
    -  nach Entscheid des VR zusätzlich mit elektronischer Teilnahmemöglichkeitt
       für physisch nicht anwesende Personen (oft als hybride GV bezeichnet)

-  ohne physischen Tagungsort
    -  mit virtueller Teilnahme durch elektronische Mittel (in Echtzeit)
    -  mit Teilnahme auf dem Zirkularweg (zeitverzögert; schriftlich oder
       elektronisch), wenn niemand aus dem Aktionariat eine mündliche Beratung
       verlangt

Wenn eine GV virtuell oder mit Tagungsort im Ausland durchführbar sein soll, sind die Statuten vorgängig entsprechend anzupassen (Art. 701b und Art. 701c nOR). Die übrigen Durchführungsformen sind nach Inkrafttreten des neuen Rechts bei Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen ohne statutarische Grundlage zulässig.

Entscheid über die Durchführungsform

Der Entscheid über die Durchführungsform ist wie bis anhin durch den VR zu treffen. Das Aktionariat hat dabei keinerlei Mitspracherecht oder Anspruch darauf, das Stimmrecht in einer bestimmten Form ausüben zu können. Das neue Recht schreibt nur vor, dass die Festlegung des Tagungsorts die Rechtsausübung an der GV für niemanden in unsachlicher Weise erschweren darf (Art. 701a Abs. 2 nOR).

Senkung der Grenzwerte für Einberufungs-, Traktandierungs- und Antragsrechte
(Art. 699 Abs. 3 und Art. 699b Abs. 1 f. nOR)

Die Einberufung einer GV kann bei börsenkotierten Gesellschaften neu mit 5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen verlangt werden; bei allen anderen Gesellschaften bleibt der Grenzwert bei 10 % des Aktienkapitals oder der Stimmen.

Um die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen verlangen oder vorgängig Anträge dazu stellen zu können, bedarf es statt wie bisher eines Aktiennennwerts von CHF 1 Mio. neu

-  bei börsenkotierten Gesellschaften: 0.5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen;
-  bei allen anderen Gesellschaften: 5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen.

Zugang zum Geschäfts- und Revisionsbericht (Art. 699a nOR)

Neu genügt es den Geschäfts- und Revisionsbericht 20 Tage vor der GV elektronisch zugänglich zu machen, sodass auf die Auflage zur Einsicht am Gesellschaftssitz mindestens 20 Tage vor der GV gemäss bisherigem Recht verzichtet werden kann (Art. 696 OR).

Neue Kompetenzen

Ab dem 1. Januar 2023 gilt unter anderem neu, dass eine Dekotierung von Aktien der Zustimmung der GV bedarf (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 8 nOR) sowie dass die GV selber beschliessen kann, eine Rückerstattungs- oder Verantwortlichkeitsklage zu erheben und den VR oder einen Vertreter mit der Prozessführung zu betrauen (Art. 678 Abs. 5 und Art. 756 Abs. 2 nOR).

Ausweitung der Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheitsquorum (Art. 704 Abs. 1 nOR)

Im neuen Recht werden zusätzliche Beschlüsse dem Zweidrittelmehrheitsquorum unterstellt. Darunter fallen vor allem Beschlüsse, die mit Blick auf das revidierte Recht gefasst werden können (z.B. zur Durchführung einer GV mit Tagungsort im Ausland oder Dekotierung der Beteiligungspapiere).

Ausübung der Mitwirkungsrechte durch eine Vertretung (Art. 689b ff. nOR)

Die Stellvertretungsregeln des bisherigen Rechts haben bei der Revision des Aktienrechts redaktionell eine grundlegende Überarbeitung erfahren, sind nun viel detaillierter und führen zu einem Systemwechsel für weisungslose Vertretungen: Liegt keine Weisung zur Stimmabgabe vor, haben sich Vertretungen neu der Stimme zu enthalten (Art. 689b Abs. 3 und Art. 689e Abs. 3 nOR). Bisher galt der Grundsatz, dass die Vertretung mangels Weisung dem Antrag des VR zu folgen hatte (Art. 689d Abs. 2 OR). Von Gesellschaften geführte Vollmachts­formulare gilt es daher gut zu überprüfen und allenfalls anzupassen. Die bereits im Rahmen der Corona-Pandemie auch für nicht börsenkotierte Gesellschaften eingeführte Möglichkeit, einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter einzusetzen, wird im neuen Recht beibehalten.

3.     Dividenden und Kapitalstruktur

Zwischendividenden (Art. 675a Abs. 1 nOR)

Ab dem 1. Januar 2023 können gestützt auf einen Zwischenabschluss Zwischendividenden aus Gewinnen des laufenden Geschäftsjahrs ausgeschüttet werden.

Aktienkapital in Fremdwährung (Art. 621Abs. 2 nOR)

Neu gegründete aber auch bestehende Gesellschaften können ihr Aktienkapital in ihrer funk­tionalen, d.h. der für ihre Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung, führen. Gemäss Anhang 3 der revidierten Handelsregisterverordnung (AS 2022 114) sind folgende Währungen zulässig: EUR, USD, GBP und JPY. Ein Wechsel der Währung des Aktienkapitals kann durch die GV auf Beginn eines Geschäftsjahres beschlossen werden (Art. 621 Abs. 3 nOR). Dies führt vor allem für all diejenigen Gesellschaften zu einer Vereinfachung, die bereits nach der Revision des Rechnungslegungsrechts für die Buchführung und Rechnungslegung eine entsprechende Fremdwährung gewählt haben.

Möglichkeit eines ein sog. Kapitalbands (Art. 653s ff. nOR)

Neu kann die GV ein Kapitalband von maximal ±50 % des eingetragenen Aktienkapitals beschliessen, innerhalb dessen der VR das Aktienkapital innert maximal fünf Jahren erhöhen oder herabsetzen kann. Das Kapitalband ersetzt das heutige genehmigte Kapital, welches nur Kapitalerhöhungen während maximal zwei Jahren zulässt, und verschafft dem VR deutlich mehr Flexibilität bei der Anpassung der Kapitalstruktur.

Senkung der Grenze für Aktiennennwerte (Art. 622 Abs. 4 nOR)

Neu kann der Nennwert von Aktien auch kleiner sein als das bisherige Minimum von CHF 0.01, solange er grösser als Null ist.

Erleichterungen bei (beabsichtigten) Sachübernahmen: Die bisherigen Bestimmungen werden ersatzlos gestrichen

Bei einer (beabsichtigten) Sachübernahme verpflichtet sich die Gesellschaft im Rahmen einer Gründung oder Kapitalerhöhung, Vermögenswerte von einer ihr nahe stehenden Person zu erwerben. Neu braucht es für solche Sachübernahmen weder einen Gründungsbericht noch einen Prüfungsbericht eines zugelassenen Revisionsexperten und sie müssen auch nicht mehr unter Angabe des Gegenstands und der Gegenleistung in den Statuten sowie im Handelsregister eingetragen werden. Für Sacheinlagen bleiben die bisherigen Bestimmungen bestehen.

4.     Aktionärsrechte und Corporate Governance

Ausgedehntes Auskunftsrecht (Art. 697 Abs. 2 nOR)

Neu können Aktionäre bei nicht börsenkotierten Gesellschaften, die über mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte verfügen, vom VR jederzeit (statt wie bisher nur an der GV) Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen.

Erweiterte Einsichtsrechte (Art. 697a Abs. 2 nOR)

Ab dem 1. Januar 2023 können Aktionäre, die über mindestens 5 % des Kapitals oder der Stimmrechte verfügen, auch ohne Ermächtigung der GV Einsicht in die Geschäftsbücher und Korrespondenzen der Gesellschaft verlangen (unabhängig davon, ob börsenkotiert oder nicht), soweit die schutzwürdigen Gesellschaftsinteressen nicht gefährdet werden.

Senkung des Grenzwerts für Sonderuntersuchungen (Art. 697c ff. nOR)

Neu braucht es für eine Sonderuntersuchung (neuer Begriff; bisher Sonderprüfung) dieselben Beteiligungsquoten wie zur Einberufung einer GV (5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen bei börsenkotierten Gesellschaften und 10 % bei allen anderen).

Umfassendere Rückerstattungspflichten (Art. 678 f. nOR)

Gestützt auf das revidierte Aktienrecht können neu nicht nur von Personen aus dem Aktionariat oder dem VR, sondern auch von Personen aus der Geschäftsführung oder dem Beirat sowie diesen nahestehenden Personen grundsätzlich sämtliche Leistungen (bisher beschränkter Katalog) zurückgefordert werden, die sie ungerechtfertigt bezogen haben; und dies ohne Nachweis von bösem Glauben. Bildet die bezogene Leistung Teil eines Rechtsgeschäfts, ist für die Rückerstattungspflicht nur noch entscheidend, ob ein offensichtliches Missverhältnis zur Gegenleistung bestand; die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zum Geschäftszeitpunkt ist nicht mehr relevant.

5.     Andere Gesellschaftsformen

GmbH

Die Bestimmungen des neuen Aktienrechts zur Durchführung einer GV, Währung des Kapitals, zum Mindestnennwert der Anteile, zu Zwischendividenden sowie zu drohender Zahlungs­unfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung sind für die GmbH entsprechend anwendbar. Die Sachübernahmebestimmungen entfallen auch für die GmbH. Die neue Möglichkeit zur Einführung eines Kapitalbands ist gemäss Gesetzessystematik der AG vorbehalten (Art. 782 Abs. 4 OR).

Genossenschaft

Neu sind Gründungen und Statutenänderungen öffentlich zu beurkunden. Die Bestimmungen des neuen Aktienrechts zur Durchführung einer GV, zu drohender Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung sind für die Genossenschaft entsprechend anwendbar.

Stiftungen (Art. 84a f. nZGB)

Neu hat das oberste Stiftungsorgan bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keine Zwischenbilanz mehr zu erstellen, hat aber anstatt der Revisionsstelle direkt die Aufsichtsbehörde zu benachrichtigen. Darüber hinaus sind die Bestimmungen des Aktienrechts zur Ermittlung der Überschuldung entsprechend anwendbar.

Vereine

Für Vereine wird lediglich in Bezug auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Über­schuldung auf die entsprechenden Bestimmungen des neuen Aktienrechts verwiesen (Art. 69d nZGB). Ein Verweis betreffend Durchführung der GV fehlt. Nachdem gestützt auf die COVID-19-Verordnungen 2 und 3 auch Vereine ihre Versammlungen während der Corona-Pandemie schriftlich, elektronisch oder via Stimmrechtsvertretung durchführen konnten, dürften diese Möglichkeiten ab dem 1. Januar 2023 mangels eines entsprechenden Verweises entfallen (Art. 29 COVID-19-Verordnung 3). Somit bleibt Vereinen gemäss bisherigem Recht grundsätzlich nur die physische Präsenzversammlung (Art. 66 ZGB). Bei Bedarf wäre zu prüfen, ob Vereine allenfalls andere, dem neuen Aktienrecht angelehnte Versammlungsregeln in ihre Statuten aufnehmen können.

Bei Fragen oder zur Prüfung, ob bei bestehenden Statuten oder Reglementen Anpassungen angezeigt sind, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und freuen uns auf Ihre Kontakt­aufnahme.


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Dieser Beitrag wurde geschrieben von

Regula Dannecker

Regula Dannecker

Partnerin
lic. iur., Rechtsanwältin, LL.M., CAS International Contract Law & Arbitration

CV
Manuel Mühlestein

Manuel Mühlestein

MLaw, Rechtsanwalt

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